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Interessenausgleich - Lufthansa Technik

Rund um die bevorstehenden Schließungen bzw. Einschränkungen der Line Maintenance Standorte der LHT schießen die Spekulationen und Gerüchte ins Kraut. Die Vorstellung des Interessenausgleichs und des Freiwilligenprogramms durch den Arbeitgeber haben offensichtlich mindestens ebenso viele neue Fragen aufgeworfen wie alte beantwortet.

Nicht zuletzt geht es dabei für ordentlich kündbare Kolleginnen und Kollegen an fortbestehenden Standorten um die Frage, ob der besondere Schutz ordentlich unkündbarer Kollegen anderer Standorte dazu führen könnte, dass sie aus ihrem Arbeitsplatz „verdrängt“ werden könnten. Beispiel: Könnte die Versetzung solcher Mitarbeiter aus Düsseldorf nach Berlin dazu führen, dass ein bereits in Berlin beheimateter Kollege gekündigt wird?


Beginnen wir mit den „basics“:


Wird ein (Teil-)Betrieb geschlossen oder eingeschränkt, betrifft das zunächst einmal „nur“ die an diesem Standort Beschäftigten. Denn die Sozialauswahl erfolgt betriebsbezogen und eben nicht betriebsübergreifend. Wird der Betrieb also vollständig stillgelegt, bedarf es keiner Sozialauswahl unter den Beschäftigten: Alle verlieren ihren bisherigen Arbeitsplatz. Bleiben Arbeitsplätze im Betrieb bestehen, so werden unkündbare Beschäftigte bevorzugt.


Bei allen, die ihren Arbeitsplatz im Betrieb verlieren, kommt eine Kündigung dann nicht in Betracht, wenn und soweit anderswo im Unternehmen geeignete freie Arbeitsplätze vorhanden sind, die besetzt werden können. Das ist jedenfalls im Bereich Line Maintenance, in dem 793 Arbeitsplätze abgebaut werden, wohl kaum der Fall. Jedenfalls nicht für alle, weshalb der Arbeitgeber Versetzungen auf andere Arbeitsplätze laut Interessenausgleich auch nicht allen, sondern nur den unkündbaren Beschäftigten anbieten will.

Gegenüber tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verlieren, ist der Arbeitgeber zu verschärften Anstrengungen verpflichtet, um die Beschäftigung fortzuführen. Denn nur wenn der Arbeitgeber über mehrere Jahre gezwungen wäre, ein „sinnentleertes Arbeitsverhältnis“ aufrechtzuerhalten und Vergütung zu zahlen, ohne die Arbeitsleistung noch nutzen zu können, soll nach der Rechtsprechung hier eine Kündigung in Frage kommen.

Ob das dazu führt, dass der Arbeitgeber ordentlich kündbaren Beschäftigten an anderen Standorten kündigen darf oder gar muss, damit unkündbare Mitarbeiter dorthin versetzt und weiterbeschäftigt werden können, ist rechtlich umstritten und noch nicht abschließend vom Bundesarbeitsgericht entschieden. Es spricht aber alles dagegen, und auch das Bundesarbeitsgericht äußert sich eher zweifelnd, denn dadurch würde in die Rechte von Kolleginnen und Kollegen eingegriffen, die von den betrieblichen Kündigungsgründen nicht betroffen sind: Warum sollten kündbare Mitarbeiter z.B. in Berlin ihren Arbeitsplatz verlieren, weil der Betrieb in Düsseldorf schließt und dort auch ordentlich Unkündbare betroffen sind?

Grundsätzlich gilt also: Kündigungen in einem Betrieb haben auf Beschäftigte anderer Betriebe keine Auswirkungen.

Aber Vorsicht: Wie gesagt ist dies noch nicht höchstrichterlich geklärt. Vor allem aber will der Arbeitgeber so offensichtlich gar nicht vorgehen. Vielmehr sollen gemäß Interessenausgleich und FAQ nach Abschluss des Freiwilligenprogramms die ordentlich unkündbaren Mitarbeiter im Oktober 2021 mit Wirkung zum Januar bzw. Februar (Berlin) 2022 auf die „zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze“ der verbleibenden Standorte versetzt werden. Erst danach sollen – soweit noch erforderlich – die betriebsbedingten Beendigungskündigungen erfolgen, um die zukünftige Betriebsgröße von 513 Arbeitsplätzen zu erreichen.

Das könnte - und soll es nach dem Bekunden von Herrn Dr. Schönhöft im Rahmen der Vorstellung der Maßnahmen wohl auch - dazu führen, dass in den verbleibenden Betrieben weitere unkündbare Mitarbeiter auftauchen und dortige Stammkräfte mit geringerem Schutz aus den nunmehr verbleibenden (wenigen) Arbeitsplätzen verdrängen.

Am deutlichsten wird das in Berlin: Dort beläuft sich der Personalbedarf in 2022 auf 266 Vollzeitkräfte und ab Januar 2023 nur noch auf 219. Richtig ist zwar, dass Beschäftigte aus anderen Standorten, die nach Berlin wechseln, wegen des standortspezifischen MTV LHT SXF/BBI ihren Status als Unkündbare verlieren dürften. Aber auch dann gelten ihre sonstigen Sozialdaten wie Beschäftigungszeit, Alter und Unterhaltspflichten im Rahmen der dann erfolgenden Sozialauswahl natürlich weiterhin und könnten dazu führen, dass sozial weniger schutzwürdige Beschäftigte, die bereits länger in Berlin beschäftigt sind, gekündigt werden, obwohl dies ohne die vorherige Versetzung der Kollegen nicht der Fall gewesen wäre.

Der Arbeitgeber vertritt in der Betriebsöffentlichkeit die Meinung, dass er so vorgehen kann. Wir haben starke Zweifel daran: Einerseits können die jeweiligen Betriebsräte der Versetzung an ihren Standort widersprechen, wenn „die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden“. Zum anderen hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass es dem Arbeitgeber verwehrt ist, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt zu berufen, wenn er diesen Wegfall treuwidrig herbeigeführt hat, indem er einen freien Arbeitsplatz vor dem Zugang der Kündigung besetzt. War für den Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung ein Auslaufen der Beschäftigungsmöglichkeiten für den später gekündigten Arbeitnehmer bereits absehbar, so liegt in diesem Fall ein treuwidriges, weil rechtsmissbräuchliches Verhalten vor (BAG vom 25. April 2002, 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605).

Noch ist es nicht so weit. Es wird abzuwarten sein, wie viele Kolleginnen und Kollegen an welchen Standorten überhaupt das Freiwilligenprogramm annehmen und wer im Rahmen der zweiten Phase überhaupt bereit ist, sich an einen anderen Standort versetzen zu lassen.

Eine standortübergreifende Verdrängung verschiedener Beschäftigtengruppen kann und darf es unseres Erachtens jedoch nicht geben. Auch nicht zugunsten ordentlich unkündbarer Mitarbeiter. Hier müssen Alternativen und attraktive Sozialplanangebote für die Betroffenen her!

Der Arbeitgeber darf sich hier nicht aus seiner Verantwortung stehlen und den Ball in die Belegschaft spielen. Denn genau dieses passiert jetzt, man versucht uns gegeneinander auszuspielen und verbreitet Angst unter allen Beschäftigten.
Euer Vorstand

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unsere Vertrauensleute vor Ort!

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